Vom Ankommen und zuhause sein

Ein riesiges Regal. Endlose Fächer. Ein Ort für alles – oder zumindest die Illusion davon.

Ich stehe zwischen den Gängen in der IKEA SB-Halle direkt nach unserer Rückkehr. (Ben und Nico wachsen und brauchen jeder für sich ihren eigenen Platz. Also räumen wir unser Bürokammerl aus und richten ein zweites Kinderzimmer ein.) In der SB-Halle zwischen den meterhohen, durchnummerierten Regalen denken ich: Regal 37, Fach 19 – da müsste es stehen, das Gefühl von „zuhause sein“. Ganz genau einsortiert. Griffbereit. Sicher. Aber so funktioniert das Heimkommen nicht.

 

Heimkehren ist eine Kunstform

Ben sagt: „Beides ist schwer – das Wegfahren und das Heimkommen. Immer ist man ein bisschen traurig.“ Und es stimmt. Wenn man geht, lässt man etwas zurück. Freunde, Momente, eine Version von sich selbst, die nur an diesem anderen Ort existiert. Und wenn man kommt, wird man umarmt, willkommen geheißen, bekocht, gefragt. Man gehört wieder dazu.

Aber nicht sofort. Es dauert.

 

Neulich hat der Wind ein Blatt hereingeweht

Eines dieser kleinen, unauffälligen. Einen Moment lang dachte ich, es sei ein Frosch.
So viele Frösche habe ich in Bali mehr oder weniger erfolgreich aus dem Haus bugsiert – das Geräusch, das sie machen, fehlt mir fast in den stillen Wiener Nächten.

Dann erinnern mich aufmerksame Familienmitglieder daran, dass ich wohl den Geburtstag meines Vaters vergessen habe. Moment mal, denke ich, der ist doch nicht im Oktober?
Herbst liegt in der Luft, weil es kühl ist in Wien, und weil die Sonne gerade eine Pause macht. Nach all den Monaten Sommer denkt mein Körper: Jetzt wird’s Herbst.

Aber nein, natürlich ist Mai. Und natürlich ist Geburtstag.

Der Kalender weiß es besser als mein Gefühl. Aber mein Gefühl hat auch viel erlebt in letzter Zeit. Es hat Grenzen überquert, Wände neu gestrichen, sich an andere Geräusche, Gerüche, Geschmäcker gewöhnt. Es darf sich irren.

 

Die Kinder

Die Kinder machen das wirklich gut. Was für uns ein paar Monate sind, ist für sie eine mächtige Etappe. Erst losfahren – schon wieder (!) zuhause, Freunde, Familie zurück lassen sich wieder öffnen für dieses 2. Bali-Kapitel.

Einiges kennen sie schon, die Schule, die Freunde – anknüpfen. In der Empathy School, gibt es keine Schularbeiten und keine Hausübungen. Lernen wird nicht in Leistungseinheiten gemessen, sondern in Fragen, in Neugier, in Begegnungen. Und sie lernen so viel.

Und dann: zurück in Österreich. Mathematikschularbeit. Ein Beispiel mit Bleistift gerechnet. War richtig. Aber zählt nicht, weil Bleistift. Könnte ja später hingeschummelt worden sein. Was? Echt jetzt?, fragt sich der 11-jährige. Wo bleibt das Vertrauen, fragt man sich. Es gibt Regeln! Ach-ja. Genügend. Auch gut.

 

Und trotzdem

Trotz der Unschärfe, trotz der Zwischenzustände – es gibt diesen Moment, in dem man wieder freihändig durch den Prater radelt, vor dem Plastikmüllcontainer steht, in einem Schanigarten sitzt. Das vertraute Quietschen der alten Haustür hört.

 

Und plötzlich weiß man: Ich bin wieder da.

Auch wenn ich wieder ein bisschen anders zurückgekommen bin, als ich losgegangen bin.

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Kommentare: 1
  • #1

    Hilda (Montag, 02 Juni 2025 10:48)

    Gefällt mir sehr ,dieser Blog wie Ben sagt- beides ist schwer, das Wegfahren und das Heimkommen.

    PS Nico alles Gute zum Geburtstag